Herr der Krähen

Naturkunden: Krähen von Cord Riechelmann

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In der von Judith Schalansky herausgegebenen Reihe Naturkunden trifft die Ästhetik feinster Buchgestaltung auf sachkundige Naturbeobachtung. In der Reihe erschienen sind bisher Tiermonographien über Esel, Eulen, Heringe, Schnecken und Schweine. Ebenso beinhaltet die Reihe Naturkunden spannende kulturgeschichtliche Erzählungen über Äpfel und Birnen oder auch Pilze. Jede der Publikationen ist mit zahlreichen Zeichnungen bebildert, in historischen Formaten gebunden, fadengeheftet und mit Frontispiz und farbigem Kopfschnitt versehen.
Heute möchten wir uns dem ersten Band aus der Reihe Naturkunden, den Krähen (2013) von Cord Riechelmann widmen. Aus seinen Krähenbeobachtungen von 5 Kontinenten gibt Riechelmann dem Leser einen faszinierenden Einblick in die Welt der von Sagen und Mythen umwobenen schwarzen Vögel. Dabei richtet der Biologe und Philosoph in Krähen mit seinem sachlichen Blick einen Fokus auf die natürlichen Verhaltensweisen von Eichelhäher, Kolkrabe oder Elster – 3 von insgesamt 123 Arten der Krähenfamilie – anstatt sich ihrer mythologischen Vernebelung zu widmen.
So erfährt der Leser Erstaunliches über die unsere Städte bevölkernde Vogelart, deren nächster Verwandter übrigens der bunte Paradiesvogel ist. Unglaublich schlau erscheinen einem die – im eigenen Stadtbild meist gelassen und selbstbewusst wirkenden – Krähen, wenn sie aus ihrer Beobachtung heraus kombinieren. Vor allem, wenn es um die Frage der Nahrungsbeschaffung geht.
Erstmals in Tokio beobachtet, legen Krähen beispielsweise Walnüsse auf die Straße, damit vorbeifahrende Autos diese für sie knacken. Angelockt von dem vielfältigen Nahrungsangebot in den Städten lassen sich Krähen nur schwer – und das zurecht – wieder aus diesen vertreiben, wie ebenfalls eine Schilderung aus Tokio zeigt: Mit Wasserwerfern wurde hier versucht, die Krähennester regelrecht abzuschießen. Diese hatten die Krähen allerdings zuvor mit gesammelten Kleiderbügeln aus Draht derart verstärkt, dass sie stabil genug waren, um jenen Wasserwerfern standzuhalten.
Krähen vereinen neben ihrer Intelligenz aber auch noch andere Attribute wie soziales Verhalten und Selbstbewusstsein, das sich u. a. darin äußert, dass sie in der freien Natur ihre Nistplätze im selben Gebiet wie Greifvögel ansiedeln.
Das besondere Verhältnis des Menschen zu diesen außergewöhnlich intelligenten Vögeln – man denke nur an Alfred Hitchcock´s Die Vögel – mag möglicherweise ihrer Erscheinung zuzuschreiben sein: Die Größe der Krähen – der Kolkrabe ist ihr größter Vertreter – in Kombination mit ihrem schwarzen Gefieder scheint einer der Gründe dafür, warum die Krähe in bisher keiner Kultur dem Menschen zu Notzeiten als Nahrung diente.

Riechelmanns ornithologische Beobachtungen aus der Welt der Krähen ist voller spannender Geschichten, die Lust darauf machen, selber zum Beobachter dieser außergewöhnlichen Vögel zu werden.

Krähen. Ein Portrait von Cord Riechelmann, Judith Schalansky (Hg.) ist 2013 im Verlag Matthes & Seitz Berlin erschienen.

Allen, die einen kleinen Raben ihr Eigen nennen möchten, empfehlen wir die Kleinsskulptur The Raven Nevermore aus dem Hause Tinsel. Exklusiv erhältlich in unserem ECHTWALD-Shop.

Geschrieben am 14. September 2015